Es ist mal wieder Zeit für Spiele, die eigentlich Filme sind. Aber diesmal nicht wie letzte Woche tatsächlich einfach nur FMVs, bei denen immer mal wieder eine Taste gedrückt gehört, um die nächste Szene zu sehen. Sondern die moderneren interaktiven Filme, bei denen tatsächlich ein bisschen mehr Kontrolle vorherrscht. Bisschen Charakter selbst bewegen, paar Antworten auswählen und so.
Supermassive Games haben sich ja ein wenig zum Darling solcher Spiele entwickelt. Ihr Durchbruch war kein anderer Titel als Until Dawn und seither sind sie dem Genre treu geblieben, haben beispielsweise das episodischere Dark Pictures Anthology herausgebracht, aber auch letztes Jahr mit The Quarry ihren neuesten großen Beitrag geleistet.
Auch dem Film-Genre sind sie dabei treu geblieben und bieten einen weiteren Eintrag in den (Teen-)Horror an. Diesmal geht es um eine Gruppe an Betreuern für ein amerikanisches Sommercamp, traditionell ein Aushilfsjob von Teens und frühen Twens, die Gruppen an jüngeren Kindern über die Sommerferien zu betreuen haben, damit deren Eltern auch mal Ruhe gegönnt ist. Man kennt es von Friday the 13th und dem Camp Crystal Lake. Natürlich soll das auch ein wenig als eigene Ferien genutzt werden, und so hat die Gruppe das Camp ein paar Tage für sich alleine.
Der perfekte Zeitpunkt also, um im idyllischen Waldgebiet am See zu spazieren, damit die Introvertierten auch etwas abgeschieden miteinander flirten können. Oder am Lagerfeuer via Mutproben ein wenig die Bisexualität auszuloten. Oder man verkracht sich halt gewaltig mit dem Ex, der einfach nicht loslassen will. Übliches Teen-Drama halt. Bis das irgendwann von tödlichem Drama abgewechselt wird, wenn ein Monster umher läuft, dessen Biss wie bei Werwölfen ansteckt, und Redneck-Jäger ebenfalls die Wälder nach möglichen Infizierten durchsuchen. Wo eine geladene Knarre involviert ist, geht gern mal was schief.
The Quarry hat einen langsamen Start. Immerhin muss hier im Gegensatz zur Dark Anthology wieder ein „volles“ Spiel von 10 Stunden gefüllt werden. Ich habe es auf Twitch gestreamt, in drei Sessions von jeweils circa 3 Stunden, und während der ersten davon ist eigentlich noch kein Horror geschehen, sondern wir folgten nur den Betreuern, wie sie untereinander sind. Wobei sich hier The Quarry ebenfalls den in Horrorfilmen etablierten Cold Openings bedient. In der allerersten Szene sehen wir zwei andere Betreuer auf dem Weg ins Camp, die prompt in Gefahr landen, bevor es zum eigentlichen Haupt-Cast an Charakteren geht. Sozusagen als Anheizer und Versprechen, dass da später noch die Gaudi abgehen wird. Until Dawn tat das ebenfalls mit dem ersten Mord an den Zwillingen zu Beginn. Nur das The Quarry nicht den Fehler begeht, uns die komplette Charakterriege gleich mit unsympathisch zu machen.
Und das ist auch gut so, denn wenn wir sie über die nächsten 3 Stunden untereinander erleben, macht es natürlich mehr Sinn, wenn wir uns für sie interessieren. Ein wenig Spaß an Teen-Drama muss selbstredend mitgebracht werden, und ein wenig Involviertheit, weil wir sie ja steuern und ihre Antworten auswählen. Wie viel also Situationen eskaliert oder de-eskaliert werden, ist ein wenig in Spielerhand. Ich war in der ersten Session jedenfalls nicht gelangweilt, die Highlights von uns waren die beiden Nerds anbandeln zu lassen, sowie den Kuss am Lagerfeuer zwischen zwei der Jungs zu halten. Man muss sich auch über die kleinen Dinge freuen können. Emma war eigentlich der einzige Charakter, der wegen ihres bitchy Verhaltens anfänglich nicht super sympathisch war, aber auch mit der wurde ich mit der Zeit warm, als ich sie selbst gesteuert nette Momente mit introvertierten Abygail verbringen lies oder wie sie später zum richtigen Badass wird, wenn sie als erste in Gefahr gerät. Jacob war zunächst etwas arg clingy, aber das macht mit der Zeit auch Sinn, wenn witzigerweise der Jock-Archetyp der emotionalste Charakter ist. Obwohl wenn ich von ihm am Ende gar nicht so viel sah. Also ich sah im übertragenen Sinne schon viel von ihm, wenn er für eine längere Zeit nur in Boxershorts durch den Wald irrte, aber von ihm als Charakter nicht so viel.
Wie das bei jenen interaktiven Filmen so üblich ist, ist es natürlich ohne erneutes Durchspielen etwas schwer zu sagen, wie viele Variationen es im Verlauf wirklich gibt. The Quarry ist jedenfalls gut darin, es so ausschauen zu lassen, als wäre ich wirklich involviert gewesen. Als hätten meine Antworten, meine Entscheidungen, meine Bewegungen durch das Spiel hindurch einen Einfluss auf das Schicksal der Charaktere. Das kann natürlich auch immer dazu führen, dass einige Charaktere etwas kurz kommen, wenn eben nicht in längere Szenen mit ihnen manövriert wird. Jacob zumindest war einer jener, der ab einem gewissen Punkt quasi fast vollständig aus meinem Spieldurchlauf verschwunden war. Fiel mir aber auch erst gegen Ende auf.
Das Spiel ist einfach viel zu unterhaltsam, als das dies mir vorher aufgefallen gewesen wäre. Wenn dann eben nach dem ersten Drittel wirklich die Action beginnt, geht es auch so richtig ab. Ähnlich wie bei Until Dawn gibt es einige übliche Horrorfilm-Klischees und Szenarios, die hier zusammenlaufen. Das meine ich nicht nachteilig, diese Spiele sind eben ein Liebesbrief an das Genre, und benutzen deswegen jene Tropes bewusst und gern. Hier ist zudem alles einfach ein wenig runder zusammenkommend als in Until Dawn, macht mehr kohärenten Sinn in sich selbst. Wenn dann so ein Monster wortwörtlich aus jemandem herausplatzt und der ganze Raum inklusive aller Danebenstehender in Blut getüncht wird, als wäre gerade ein extrem aggressives Splatoon-Match veranstaltet worden, ist das einfach urkomisch. Das ist auch irgendwo wichtig an dieser Art von Horror, dass es trotz aller Gewaltspitzen dennoch etwas leichtfüßig ist und eine inhärente Komik bereithält. Zehn Stunden Misery Porn will doch keiner haben, lasst die Charaktere lieber ein paar Sprüche klopfen und das alles ein wenig bewusst blöd sein. Eine Lektion, die David Cage nie gelernt hat, aber dazu nächste Woche mehr.
Ich persönlich habe natürlich eh immer eine gute Zeit mit jenen interaktiven Filmen, mir liegt das Genre einfach. Selbst die Einträge des gerade genannten David Cage zum Beispiel. Das ganze dann noch einem Live-Publikum gestreamt, hebt das Erlebnis auch noch mal. Eine Affinität für Horrorfilme bringe ich zudem noch mit. Von daher konnte The Quarry eigentlich eh schon fast nichts falsch machen. Aber ich würde auf jeden Fall sagen, dass es einer der besten Vertreter des Genres ist. Wer natürlich mehr machen möchte, als einen Charakter zwischen Sequenzen ein paar Schritte zu bewegen und hier und dort eine Multiple-Choice-Antwort auszuwählen, wird mit The Quarry auch nicht glücklich. Das gibt das Genre nicht her, und muss es auch gar nicht. The Quarry macht Spaß, so wie es ist.