Ups, sind mir die Oscar-Verleihungen doch beinahe durchs Raster gerutscht. So spät gemerkt, dass es nicht mehr dazu reicht drei Filme zu schauen und zu besprechen. Wer neu hier ist: Seit vielen Jahren nutze ich das Oscar-Wochenende dazu, mir drei Gewinner des Vorjahres anzuschauen und zu besprechen. Filme, die mich interessieren, die aber wahrscheinlich sonst immer unter der Watch-List-Priorität gelandet wären. Oder von deren Existenz ich sogar erst mitbekomme, wenn ich mir die Gewinner durchsehe und denke, dass Film XYZ ja auch ganz interessant klingt. Drei Stück auf drei Tage Wochenende verteilt dann. Der Best Animated Movie ist eigentlich immer dabei, und da es dieses Jahr wegen meiner Schusseligkeit nur noch für den Sonntag gereicht hat, bleibt der dieses Jahr auch die einzige Besprechung: Encanto.
Die Familie Madrigal hat eine ganz besondere Historie. Alma und ihr Mann mussten mit ihren drei Neugeborenen ihre Stadt flüchten, gefolgt von bewaffneten Reitern. Der Vater stellte sich ihnen heroisch in den Weg und starb, doch im Ausbruch ihrer Trauer darüber kam Alma plötzlich Magie zur Hilfe. Eine Kerze verwandelte sich, lies Berge zwischen ihr und den Verfolgern wachsen, gab der Familie magische Kräfte, und sogar ein lebendiges Haus, um in ihm in Frieden im neuen Tal zu leben.
Großmutter Alma ist nun das Oberhaupt der Familie. Um das Haus der Familie ist eine ganze Kommune an Menschen gewachsen, die in Frieden leben wollen. Die magische Kerze brennt bis Heute und überreicht jedem Familienmitglied eine besondere Kraft. Daraus ist eine große Zeremonie entstanden und die Familie Madigral zu den Schutzpatronen des Tales geworden, die ihre Fähigkeiten fürs Gute in der Kommune einsetzen.
Mirabel ist dahingehend allerdings eine Ausnahme. Nicht, dass sie nicht auch helfen will. Sondern dadurch, dass sie die einzige in der Familie ist, die von der Kerze keine besonderen Fähigkeiten überreicht bekommen hat. Sie liebt ihre Familie und das Tal dennoch und versucht ihr Möglichstes, ihre Wertigkeit zu beweisen. Und die Leute mögen sie auch, so ist das nicht. Doch es ist etwas schwer wirklich damit zufrieden zu sein, nicht die Superstärke der Schwester oder die heilenden Kräfte der Mutter zu haben. Und dann plötzlich droht die Magie der Familie zu schwinden, das Haus auseinanderzufallen, und die Kerze zu erlöschen. Mirabel will dem natürlich auf die Spuren kommen, macht aber eine unangenehme Entdeckung im Raum ihres Onkels, der verschollen ging, nachdem er eine Zukunftsvision hatte.
Encanto ist ein toller und beschwingter Film. Und einer zum Wohlfühlen. Er ist unglaublich Farbenfroh, die Animationen sind geschwind und es gibt einige Musical-Einlagen. Die in-universe keinen Sinn ergeben müssen, und von daher audiovisuell voll ein Musikvideo abfahren können. Abgesehen von der Tatsache, dass die verschiedenen magischen Kräfte der Familie dazu führen, dass sowieso optisch viel geboten werden kann, was halt keinen „Sinn ergeben“ muss. Hinter den Türen des Hauses liegt das Zimmer eines jeden Familienangehörigen, aber das kann halt auch aussehen, wie es ihnen passt. Die Schwester, die Blumen sprießen lässt, bietet also einen ganzen Garten dahinter an. Derjenige, welcher mit Tieren redet, hat einen richtigen Dschungel zu bieten. Das magische Haus kann sich verformen und verändern. Es liegt im wahrsten Sinne des Wortes viel Magie in Encanto.
Thematisch geht es um Familie und die Bindungen in ihr. Encanto bietet keinen traditionellen Bösewicht. Keine Galionsfigur, die besiegt werden muss, damit die Magie der Kerze nicht schwindet. Stattdessen geht es darum, dass sich die Familie untereinander öffnen und akzeptieren muss. Anfänglich mag es so aussehen, als gäbe es dort keine Probleme. Immerhin hat jeder diese tollen Kräfte, jeder möchte, dass es seiner Familie und dem Dorf drumherum gut geht. Denn oftmals können sich Menschen auch ohne böse Absicht untereinander verletzen. Die Großmutter, die so sehr auf die Kerze fixiert ist, tut dies aus ihren Augen zum Wohl der Familie. Aber das führt dazu, dass sie allen zu viel abverlangt ohne das zu merken. Die anderen Familienmitglieder verbalisieren ihre Probleme nicht, weil sie eben dem Rest der Familie nicht zur Last fallen wollen. Alle mögen Mirabel, aber eben weil diese keine Kräfte hat, wird ihr dennoch nicht so richtig was zugetraut.
Und so ist die Moral des Filmes, dass auch innerhalb der Familie, auch innerhalb einer sich mögenden Gemeinschaft, Dinge angesprochen werden müssen. Dass man sich zuhören und aufeinander zugehen muss. Sich nicht vor anderen zu verschließen. Nicht einfach davon ausgehen, dass alles schon Ok ist, sondern mehr jede Person an sich wahrnehmen und respektieren. Wer sich wirklich liebt, muss sich auch aussprechen können. Um die Bindung zu stärken und Aufrecht zu erhalten, statt das es langsam zu Bröckeln beginnt.