Kürzlich gab es im Land der Kamen Rider ein großes Ereignis. Die Franchise wurde 50 Jahre. Letztes Jahr. Zusätzlich feiert dieses Jahr die beliebte Serie Kamen Rider Black ihr 35-jähriges Jubiläum. Zum Zelebrieren wurde das Projekt Kamen Rider: Black Sun auf Streaming-Plattformen gehievt. Zunächst munkelte man es würde eine Film-Trilogie werden, letztendlich wurde eine 10-teilige Miniserie draus. Das ist gerade mal ein paar Wochen her, also noch richtig frisch.
Die Serie spielt im aktuellen Jahr, allerdings leben neben den Menschen auch noch Kaijins, eine diskriminierte Minderheit, welches sich in eine Tierform verwandeln kann. Aoi ist ein junges Mädchen, welches sich für die Gleichberechtigung derer einsetzt, und sogar vor der UN sprechen durfte. Was sie und die weite Bevölkerung allerdings nicht weiß, ist, dass die Kaijin von der japanischen Regierung während des Zweiten Weltkrieges erschaffen wurden. Noch komplizierter wird alles dadurch, dass die Kaijin nur über das Sekret des Creation Kings, dessen Leben sich zu Ende neigt, überleben. Nun gibt es natürlich Strömungen, die einen neuen Creation King suchen, und welche, die die Kaijin einfach sterben lassen wollen. Darunter befinden sich auch die beiden ehemaligen Freunde Kotaro und Nobuhiko, die vor Jahrzehnten bereits einer studentischen Widerstandsbewegung angehörten. Beide können sich in Kamen Rider verwandeln, finden sich allerdings auf gegenseitigen Enden des Konflikts wieder.
Die Serie möchte auf jeden Fall super erwachsen sein. Es gibt keinen Humor. Die Szenerie ist realistisch und häufig sehr tröge gestaltet – Slums, Hinterhöfe, verlassene Industriekomplexe und so. Niemand ist glücklich, in den Kämpfen wird schon mal jemandem der Arm oder Kopf abgerissen (die Serie hat ein 18+ Rating in Japan), auch wenn jene Gewaltspitzen hauptsächlich für Kamen-Rider-Verhältnisse extrem sind. Sie sind meist super schnell rum, als habe man sie in einer Art und Weise gefilmt, damit die Kämpfe auch noch funktionieren, sollte man die gröbste Gewalt rauseditieren müssen. Und natürlich gibt es jede Menge Realwelt-Probleme, allen voran eine korrupte rechte Regierung und Rassismus gegen die Kaijin.
Gerade letzteres mag nicht das einzige Thema der Serie sein, ist aber doch ein wichtiges Element, welches konstant zur Sprache kommt. Und hier ist es, wo die Serie sich manchmal etwas schwer tut. Die Parabel der Kaijin zu menschlichen Minderheiten ist schon von Anfang an mit dem gleichen Problem ausgestattet, mit dem diese Fantasy-Rassen häufig kommen. Rassismus macht keinen Sinn, weil es Rassen nicht gibt, jede Begründung, warum verschiedene Menschen verschieden behandelt werden sollten, ist Blödsinn. Die Kaijin allerdings, sie sind halt keine regulären Menschen. Ja sie sind sogar als Weltkriegswaffen entwickelt worden und damit der Creation King ihr Überlebenssekret herstellt, müssen Menschen geopfert werden. Die Art und Weise, wie sie behandelt werden ist falsch und die Serie framed das auch so, allerdings sind nicht zwangsläufig alle Gründe ob einer Unterscheidung der beiden Spezies haltlos. Obendrauf gibt es noch einen geheimen Kabal an Kaijin, die mit der Regierung zusammenarbeiten. Was kein ungewöhnlicher Beat in einer Storystruktur ist, sich allerdings scheinbar niemand dem unfreiwilligen Zusammenhang mit rechter Rhetorik über Minderheiten, die im Dunkeln die Politik beeinflussen, bewusst gewesen war. Schön ist allerdings, dass die Serie sehr realistisch zur Konklusion kommt, dass es eben nicht nur an wenigen Headlinern liegt, Rassismus aus der Welt zu schaffen. Speerkämpfer auf beiden Seiten des Konfliktes sterben, aber in der Bevölkerung ändert sich nichts, es muss weitergekämpft werden. Das ist überraschend pragmatisch. Auf den Blödsinn, dass sich nur mit passiv-netten Reden was machen lässt, lässt sich die Serie netterweise gleich gar nicht ein. Das hat schon wieder etwas mehr Biss.
Natürlich ist Kamen Rider: Black Sun nur eine Serie. Eine, in der sich Menschen in Tiere verwandeln und dann Prügeln. Von daher lässt sich immer sagen, dass nichts hiervon eine direkte Parabel zu realen Dingen sein soll, sondern mehr eine allgemeine Allegorie darstellt. Also nicht alles 1:1 funktionieren muss. Ganz lasse ich das Black Sun allerdings nicht durchgehen, weil es dafür viel zu viele direkte reale Ereignisse referenziert. Aoi ist ganz klar nach Greta Thunberg designt. Die Behandlung der Kaijin erinnert stark dem Rassismus, den die Burakumin in Japan ausgesetzt sind. Ja im Finale gibt es eine Szene, bei dem ein Polizist auf dem Nacken eines Kaijin kniet, welcher „I can’t breath“ erwidert.
Allgemein hätte ich mir gewünscht, dass die Handlung etwas aufgeräumter gewesen wäre. Neben den Ungereimtheiten im Rassismus-Thema gibt es nämlich andere Dinge, die überraschend plötzlich geschehen. Das Finale macht beispielsweise ein großes Ding aus der Freundschaft von Nobuhiko und Kotaro und wie beide am Liebsten in die einfache Zeiten zurückkehren würden, als sie mit der Studentenbewegung waren. Wir bekommen viel Screentime mit jener Bewegung, aber kaum Szenen, in denen die einfach froh miteinander waren, meist gab es schon deutliche Risse. Genauso wie es nur wenige Szenen der beiden als Kindheitsfreunde gibt. Allgemein haben viele Folgen eine Szene, die einen sehr prägnanten Schluss abgeben würde, gehen dann aber noch zwei oder drei weitere lang. Ich wäre tatsächlich nicht überrascht, wenn das hier als drei Filme geplant war, die dann in einer kurzfristigen Entscheidung in zehn Folgen zerlegt wurden, denn der narrative Flow ist doch etwas schräg. Und zuletzt wäre es, gerade für so ein großes Jubiläumsprojekt, einfach schön gewesen, wenn die Serie etwas besser aussehen würde. Bei allem Realismus muss das doch nicht aussehen wie Reality TV, bei dem einfach draufgehalten wurde. Ein wenig mehr Ambition im Stage Setting und bei der Kameraführung, um alles etwas schnieke in Szene zu setzten, wäre nett gewesen.
Das klingt jetzt so, als hätte ich Black Sun nicht gemocht. Dem ist allerdings nicht so. Ich finde lediglich, dass die Serie viel verschenktes Potential hat. Als reine düstere Action-Serie, bei dem sich Kamen Rider brutal kloppen und die dabei erwachsene Themen hauptsächlich als Stage Setting benutzen, ist die Serie allemal unterhaltsam. Sie hätte halt noch wesentlich interessanter sein können, wenn mit jenen Themen wirklich so viel gemacht worden wäre, wie die Serie zu denken scheint das sie das tat. Die Serie wollte mehr aussagen, von daher kann sie auch unter harscheren Gesichtspunkten betrachtet werden.
Black Sun ist allerdings nicht das einzige edgy Kamen Rider. Mitnichten. In den 50 Jahren, die Kamen Rider besteht, gibt es da natürlich gleich mehrere. Eine davon ist sogar noch ziemlich neu. Nämlich Revice Legacy: Kamen Rider Vail, ein Special zur 2021-2022 gelaufenen Kamen Rider Revice Serie.
In 5 Episoden von jeweils 15 Minuten wird natürlich nicht viel erzählt. Im Prinzip ist es halt ein Special zum Ehepaar in Revice, die ich denke mal den emotionalen Familienkern der Serie bilden. Ich habe Revice nicht gesehen, aber würde so zumindest Sinn ergeben. Die Mutter erinnert sich 25 Jahre in die Vergangenheit, wie sie als junge Frau auf ihren Ehemann getroffen ist, und wie jener als Experiment zu Kamen Rider Vail wurde, um Dämonen zu besiegen.
Die Show macht dabei kein großes Geheimnis daraus, dass die Organisation wahrscheinlich Dreck am Stecken hat. Und es ist ziemlich offensichtlich, dass jene die Dämonen auf Junpeis Eltern losgelassen haben, um ihn zu traumatisieren und als williges Versuchsobjekt zu rekrutieren. Was ich allerdings ziemlich interessant fand, war das genutzte Transformationswort. Wenn die Kamen Rider ihre Gürtel aktivieren, kommt aus ihnen meist ein englisches Wort, welches die Aktivierung bestätigt. Das ist von Serie zu Serie unterschiedlich. Bei der Vail-Verwandlung ist das „Deal“. Was, wenn man das Setting der Serie betrachtet, impliziert, dass der Held selbst einen Packt mit dämonischen Kräften eingeht, um andere Dämonen besiegen zu können.
Allerdings schon ganz witzig, dass im Prinzip herausgefunden wird, dass die Ehe der beiden auf einer Lüge basiert. Nachdem Junpei wieder sein Gedächtnis am Ende verliert, erzählt sie ihm nämlich, sie seien verlobt. Um ihn emotional zu schützen. Und die beiden haben ja Gefühle zueinander. Aber es wäre schon irgendwo besser gewesen, sich eventuell lediglich als Freundin auszugeben und zu schauen, ob die Beziehung überhaupt klappt, statt ihm eine komplett falsche Familie vorzugaukeln.
Aber ja, im Prinzip ist Kamen Rider Vail also ein Prequel-Film. Ich denke er bringt einem etwas mehr, wenn man Revice kennt und einem die beiden Hauptfiguren von dort mehr bedeuten. Aber es war schon ein nettes kurzes Ding, wenn natürlich auch in der Natur der Sache liegend nichts besondres.
Eine weitere kurze Webserie ist Rider Time: Kamen Rider Shinobi, allerdings eine tonal ganz andere. Wesentlich bunter, komödiantischer und mehr auf Kinder ausgelegt würde ich mal sagen. Was ja nicht bedeutet, dass da kein Charm drin steckt. Rider Time sind wohl mehrere Specials, die als Spinoffs zu Kamen Rider Zi-O dienen, welches ich mal wieder nicht kenne.
Mit diesmal 3 Episoden a 15 Minuten gibt das Special natürlich noch weniger her. Das Setting ist so ziemlich die heutige Zeit, aber fusioniert mit einem mehr traditionell japanischem Design. Es gibt beispielsweise Ninja-Kämpfe darum, wer einen begehrten Platz in der erfolgreichsten Firma der Stadt bekommt, beheimatet in einem Wolkenkratzer mit einem japanischen Schloss auf dem Dach. Unsere drei Charaktere sind Iroha, die besonders viel Skill hat und am Wettkampf teilnimmt. Ihr Bruder Rentaro scheint wenig begabt zu sein, ist allerdings heimlich Kamen Rider Shinobi, in den Iroha sich verguckt hat. Der beste Freund der Geschwister ist Isami, welcher an Iroha interessiert ist und als Kamen Rider Hattari versucht Shinobi zu übertrumpfen.
Kamen Rider Shinobis Design finde ich nicht ganz so toll. Hauptsächlich der violette Schal ist mir vom Material zu glänzend, was ihn und damit das ganze Kostüm billig wirken lässt. Hattari hat auch Flatterkram am Kostüm, welches allerdings wesentlich weniger glänzt, was man auch bei Shinobi hätte verwenden sollen.
Gibt viel Comedy-Potential in dieser ziemlich leichtfüßigen Kurz-Show. Die mir wirklich gut Laune bereitet hat. Lediglich etwas kurz wirkt es schon, da die ganze Miniserie eher wie eine Pilot-Folge zu einer Serie erscheint, die es so nicht gibt. Tatsächlich macht Shinobi auch Bock auf mehr. Eine komplette 50-Episoden-Serie im TV hätte es vielleicht nicht sein müssen, aber hieraus so 12 Folgen zu machen wäre sicherlich als nettes Dreinspiel schön gewesen.