2014 war es dann also soweit, der allerletzte Ghibli-Film kam in die japanischen Kinos. Nach knapp 20 Filmen und 30 Jahren ging eine Ära zu Ende. Und der letzte Eintrag kommt nicht von Miyazaki, nicht von Takahata, sondern entstand unter Regie von Hiromasa Yonebayashi, dem wir davor Arrietty zu verdanken hatten.
Anna kann sich selbst nicht sonderlich leiden. Und so wahnsinnig viel zu mögen gibt es auch nicht. Sie ist eine Außenseiterin, nicht sonderlich ehrlich, schlecht im Sozialisieren, und neigt zu Ausrastern wenn dann doch mal ein Ton aus ihr heraus kommt. Allerdings hat sie auch Asthma und einen ausländischen Einschlag im Look zwischen all den Japanern, bei denen nicht herauszustechen an oberster Tagesordnung steht. Ach ja, Ziehkind ist sie auch noch, und keine „echte“ Familie zu haben ist da jetzt auch kein gesellschaftlicher Pluspunkt. Wobei schwer zu sagen ist, was da schon vorher im Leben von Anna gelaufen ist, und wie viel sie sich selbst ausgrenzt, zumindest in ihrer aktuellen Situation scheint ihr wenig Antipathie entgegen zu kommen und alle gut und zivil mit ihr umzugehen.
Das ist halt allgemein immer ein wenig das Problem bei Filmen, bei denen die Hauptfigur an Depressionen leidet: Sie ist schwer dem Zuschauer wirklich sympathisch zu machen. Sich selbst und sein Leben nicht genießen zu können, selbst wenn man es gar nicht so schlimm hat, ist ja einer der Mitgründe, warum man sich in dieser Situation selbst nicht leiden kann, was den Teufelskreis nur zusätzlich anheizt.
Jedenfalls wird Anna aufs Land zu Verwandten der Ziehmutter geschickt, damit sie an der frischen Luft besser atmen kann. Wo erneut die Kids eigentlich nett zu ihr sind, sie sich in einem von der Aufmerksamkeit genervten Ausbruch das wieder selbst verdirbt. Bis sie dann in einem herrschaftlichen Haus am See auf Marnie trifft, mit der sie sofort klickt, und mit der alles leicht läuft. Nur ist die hübsche Marnie lediglich abends zu treffen und Anna wacht nach den Treffen einfach irgendwo am Wegesrand auf. Am Tag scheint das Haus hingegen komplett unbewohnt zu sein. Ist Marnie also gar nicht echt?
Die beiden Mädchen sind dann tatsächlich stark miteinander verknüpft, auf welche Art und Weise und das Marnie so gesehen eben nicht echt ist, ist natürlich klar bevor es der Film wirklich erklärt. Wobei ich, wenn man auf die letzten 15 Minuten kurz die Lebensgeschichte von Marnie angerissen bekommt, mich nicht ganz dem Gefühl erwehren konnte, dass ihr Leben den interessanteren Film ausgemacht hätte. Wenn schon nicht mit ihr als Hauptcharakter, dann doch indem über den Verlauf hinweg Anna als Außenstehende immer mehr Einblicke in deren Leben bekommt. So bildet Marnie eher einen Kontrast zu Anna und den Katalysator dafür, dass sie mehr mit sich in Einklang kommt.
Erinnerungen an Marnie erinnerte mich dabei tatsächlich sehr an Arrietty. Nicht vom Setting her, denn der Film spielt wie gesagt in Japan, was mich zunächst etwas verblüffte, aber letztendlich auch mit veränderter Nationalität funktioniert. In 2014 vielleicht in Japan sogar noch besser, da es dort mehr soziale Zwänge und Ausgrenzungen gibt gegenüber England. Auch der desaströse Soundtrack wiederholt sich glücklicherweise nicht. Aber ich komme bei Marnie zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei Arietty. Und zwar das es ein schon recht netter Film ist, aber eben die Magie der wirklich großen Ghiblis nicht ganz eingefangen werden kann. Studio Ghibli hätte aber definitiv auch auf einem schlechteren Film enden können.