In den 2000er Jahren war die Tales-Serie ziemlich aktiv. Zwischen 2002 und 2012 sind 12 Einträge erschienen, also knapp mehr, als es Jahre spannt. Und das sind alle Hauptserien-Titel, keine Spinoffs inkludiert. Danach dauerte es drei Jahre bis Zestiria erschien, dem aber noch sofort im nächsten Jahr Berseria nachgeschoben wurde. Doch anschließend durfte die Serie endlich etwas ruhen, erst 2021, fünf Jahre nach Berseria, sollte mit Tales of Arise der nächste und bisher noch neueste Eintrag erscheinen. Der die Serie in die Zukunft bringen wollte.
Das hat er zumindest schon mal technisch getan. Endlich sieht ein Tales Game aus wie ein PS4-Spiel. Tatsächlich auch im ganz wörtlichen Sinne, denn sowohl Zestiria als auch Berseria hatten noch neben dem PS4-Release eine PS3-Version, liefen also auf der Engine, die für eine vorige Konsolengeneration gemacht war. Arise hingegen sieht super aus. Es ist eines jener Spiele, bei denen ich die expressiven Ingame-Modelle sogar besser finde, als ihr Aussehen in den Anime-Cutscenes. Die Welt sieht super aus, von gigantischen Städten, ehrfürchtigen Ruinen, sonnigen Wiesen oder dicht bewachsenen Wäldern. Die Charaktere haben viele auch kleine Animationen zu bieten, und ihre Spezialattacken und Techniken in den Kämpfen kommen mit toll-brachialen Effekten daher. Da steckt richtig Wumms dahinter. Optisch ist Tales of Arise definitiv immer eine Freude.
Auch spielerisch macht es ordentlich Wumms. Mit den in der Welt sichtbaren Monstern kollidiert kommt es ins abgesteckten Kampffeld, wo sich wie gewohnt ordentlich in Echtzeit über die Rübe gegeben wird. Der kontrollierbare Charakter kann jederzeit gewechselt werden. Zudem können die beiden der sechs spielbaren Charaktere, die aktuell nicht im Kampfgeschehen stehen, ebenfalls immer gegen welche der beteiligten vier eingewechselt werden. Wild die verschiedenen Arts dem Gegner überziehen, die beliebig nach Erlernen auf die vier Face Buttons gelegt werden, und dabei nur wie in Berseria darauf achten müssen, dass noch Charges für Attacken übrig sind. Die sich in kurzer Zeit von selbst wieder aufladen, aber auch durch besonders gutes Gameplay oder die Unterstützungsattacken anderer Charaktere sofort generieren. So wird sich wild geprügelt, ausgewichen, Spezialattacken geworfen. Ein flottes und spaßiges Kampfsystem.
Weniger einheitlich rosig sieht es hingegen in der Handlung aus. Hier legt Tales of Arise eigentlich das Gegenteil von Tales of Berseria hin: Es fängt stark an und flaut im späteren Spielverlauf bestätig ab.
Das Spiel beginnt auf dem Planeten Dahna. Jener ist kolonialisiert. Vor 300 Jahren kamen die Bewohner des Nachbarplaneten Rena vorbei und machten sich Dahna Untertan. Nun ist der Planet in 5 Territorien gesplittet, die alle von Lords regiert werden. Die Dahna-Bevölkerung wird als Sklaven gehalten, die der Rena-Kaste zuzuarbeiten und die Ressourcen ihres Planeten für Rena abbauen müssen.
Hauptcharakter Alphen beginnt in einem solchen Sklavenlager, in dem unter schlimmen Bedingungen Bergbau betrieben wird. Besonders an Alphen ist allerdings, dass er eine Metallmaske trägt, die er nicht abnehmen kann, und er unter Amnesie leidet. Er trifft auf Shionne, eine Rena-Frau, die allerdings von ihren eigenen Landsleuten verfolgt wird, denn sie birgt eine besondere Macht in sich. Ein Feuerschwert, welches Alphen überraschend verwenden kann. Die beiden helfen einander auszubrechen und begeben sich auf die Reise alle fünf Territorien von ihren Lords zu befreien. Alphen, um seinen Landsleuten aus der Sklaverei zu helfen, und Shionne, weil die Lords ihren eigenen Plänen im Weg stehen.
Tales of Arise beginnt also überraschend mutig, in dem es uns zeigt, wie schlecht Imperialismus doch ist. Ohne groß eine luftige Parabel zu machen oder sonstig, sondern brutal ehrlich. Ein Volk ist über ein anderes hergefallen und nutzt dieses und deren Land eigennützig aus. Im zweiten Territorium wird sogar gezeigt, wie die Rena-Herrschaft Misstrauen unter der Dahna-Bevölkerung säht, damit diese sich nicht trauen, und so leichter die Macht über die zahlenmäßig Überlegenen behalten wird. Und dann kommt das dritte Gebiet. Und plötzlich ist alles anders. Den Sklaven dort geht es gut, weil der Lord bestimmt hat, dass sie nett behandelt werden müssen. Ja der dortige Lord wird sogar ein Teammitglied. Im vierten Areal ist dessen Rena-Lord sogar schon zurückgeschlagen worden, aber unter einer brutalen Rebellion, die auch vielen Dahna-Menschen geschadet hat.
Und hey, ich bin voll dafür etwas Nuance reinzubringen. Ja es kann häufig bei einem Putsch dazu kommen, dass die den ehemaligen Tyrannen besiegende Partei selbst eine neue Tyrannei aufbaut. Ja es ist besser einem Sklaven ein gutes als ein unnötig schweres Leben zu ermöglichen (und ein Statthalter hat nicht die Möglichkeit das System an sich abzuschaffen). Wenn das Spiel doch nur immer noch am Ende zum Entschluss kommen würde, dass Sklaverei schlecht ist. So ganz allgemein, grundsätzlich. Dies kommt so aber nie rüber. Stattdessen wirkt es eher wie Both-Siding. Vielleicht ist Sklaverei nicht so schlimm, wenn der Sklavenmeister nett ist und heiß aussieht. Aufstand ist ja irgendwo schon doof, wenn dabei auch was kaputtgeht. Unsere Dahna-Leute in der Heldengruppe, die ihr Leben lang Sklaven waren, fangen echt an zu hinterfragen, ob sie wirklich das richtige tun. Hier möchte ich noch mal daran erinnern, dass was sie tun „Abschaffung der Sklaverei“ ist. Tales of Arise fängt so stark an, und fällt dann bei der Landung ordentlich auf die Nase. Und dann nach dem fünften Territorium, nach dem das Spiel selbstredend noch nicht vorbei ist, sondern es einen großen dramatischen Umschwung an Offenbarungen gibt… driftet es eh mehr in eine übliche Anime-Handlung ab. Die Storyline wird wesentlich generischer und das Thema des Kolonialismus wird nicht mehr wichtig. Als wäre es doch irgendwo nur Window Dressing gewesen.
Die durchaus sympathischen Charaktere, auch wenn jeder außerhalb Shionne und Alphen etwas kurz kommt in der Charakterisierung, die gute Optik, und das spaßige Gameplay haben mich weiterhin über Wasser gehalten. Aber ein wenig fader Beigeschmack wie viel besser das Spiel mit einer stringenten und mutigen Story doch hätte sein können, wenn es Sklaverei nicht plötzlich als Grauzone behandelt und dann verzweifelt komplett das Thema gewechselt hätte, der bleibt schon.