Heute reden wir über eine Show, auf die ich ganz zufällig aufmerksam wurde… vor fast 25 Jahren! Als ich noch jung war und mich so durch das Abend-/Nachtprogramm der Fernsehsender zappte, entdeckte ich irgendwo eine Serie über Vampire. Alle aus verschiedenen Clans, in Anzügen, miteinander streitend. Ich habe nie wieder eine zweite Folge finden können und mir auch den Namen nie behalten gehabt. Hin und wieder erinnere ich mich allerdings an jene kleine Entdeckung und wundere mich, was das wohl war.
Kürzlich dank eines Youtube-Videos bin ich darauf gestoßen, es handelt sich um Kindred: The Embraced. Ein Name, der auch sonst eher wenig auftaucht, die Serie scheint nicht vielen Leuten was zu sagen. Und das hat auch seinen Grund, denn sie war ein Flopp. Es wurden acht Folgen produziert, bevor sie abgesetzt wurde, die letzte gar nicht mehr ausgestrahlt. Dabei schien Kindred: The Embraced eigentlich alles zu haben, was 1996 Erfolg versprach.
Denn hier lasse ich jetzt mal die Bombe platzen. Kindred ist nicht einfach irgendeine Vampirserie. Nein, sie ist produziert von Aaron Spellings Firma, und basiert ausgerechnet auf dem Vampire: The Masquerade Tabletop RPG. Das scheint eine komische Kombo zu sein, aber wir erinnern uns, es sind die Mitt-90er. Aaron Spellings Hit-Serien Beverly Hills 90210 und Mellrose Place starteten 1991 und 1992 und waren enorme Erfolge, die zehn Jahre laufen sollten. Gleiches im ebenfalls 1996 gestarteten 7th Heaven. Vampir-Content war auch dank dem 1994 in die Kinos gekommenen Interview with a Vampire wieder ziemlich trendy. Da macht es durchaus einen gewissen Sinn, dass ein TV-Sender Spelling, respektive seine Firma, dafür beauftragt, eine Vampirsoap zu produzieren. Und da Vampire: The Masquerade auch gerade frisch und beliebt war, war dies eben als Adaptionsweerk auserkoren.
Das Setting ist, ganz wie in der Rahmenhandlung von Interview, San Francisco. Im Schatten der Stadt regieren die Vampire, die unter uns gemixt sind. Die gehören verschiedenen Clans an, die früher miteinander um die Vorherrschaft kämpften, bis entschlossen wurde, dass ein Klanoberhaupt als Prinz die Macht über alle hat. Dieser Prinz ist aktuell Julian Luna, der Anführer der Ventrue.
Die Serie öffnet allerdings mit dem menschlichen Polizisten Frank, denn seine neueste Flamme ist die Ex von Julian. Da sie mit ihrer Beziehung zu einem Menschen die Masquerade in Gefahr bringt, sprich es riskiert dass die Öffentlichkeit über Vampire herausfindet, ist sie allerdings auf der Abschussliste der Klans. Das endet tragisch und bringt Frank gegen Julian auf.
Oder auch nicht. Um ehrlich zu sein ist die erste Episode, mit 70 Minuten ein überlanger Pilot, ein wenig arg konfus. Die restlichen sieben Folgen von 45 Minuten ändern die Richtung etwas. Beispielsweise wird Julian wesentlich mehr zum Hauptcharakter der Serie, was eine gute Entscheidung ist, weil er der sympathischere Charakter ist. Ich gehe mal davon aus sein Hadern mit den letzten Resten an Menschlichkeit in ihm kam im Test Screening besser an als der nervige Polizist und deswegen wurde das entsprechend abgeändert. Gute Entscheidung. Zudem sind Frank und Julian ziemlich schnell eigentlich befreundet und gehen gemeinsam gegen Vampirverbrechen vor. Frank, weil er halt ein Cop ist. Julian, weil er als Prinz natürlich alle eliminieren muss, die die Masquerade und seine Regeln brechen.
Wobei die Vampirhierarchie keine absolute Diktatur darstellt. Julian hat das oberste Sagen und kann seine eigenen Regeln machen. Doch wenn es um besonders wichtige Entscheidungen geht, wird immer ein Rat aller Klanführer einberufen, die darüber abstimmen, was zu tun ist. Julian versuchte in der Pilot-Episode beispielsweise seine Ex zu schützen, wurde aber überstimmt was deren Todesurteil angeht.
Ich kenne mich mit dem Tabletop-Game übrigens überhaupt nicht aus, auch nicht via den PC-Spiele-Umsetzungen. Die habe ich ebenfalls nämlich nie gespielt. Ich denke aber mal, dass Kindred da schon viel ändert. Denn im Prinzip macht die Serie ein Mafia-Drama daraus. Die einzelnen Klans benehmen sich wie Familien und Julian wie der King Pin von San Francisco. Klar kommt der Vampirismus ein wenig mit hinein, aber da ließe sich ohne allzu große Mühe drumherum schreiben und ein menschliches Mafia-Drama draus machen. Die Parallele zwischen Klans und Familien war sicherlich naheliegend und dies entschieden, um es einem breiten Publikum besser verständlich zu machen. Wobei ich mir vorstellen kann, dass die Serie deswegen keine Zuschauer fand, weil es beiden Gruppen nicht gerecht wird. Für Fans von The Masquerade ist das hier zu weichgespült und mainstream, das generelle Publikum wird über die doch immer mal wieder eingebundene Vampir-Lore und vor allem die sehr konfuse Pilot-Episode verwirrt.
Teils machen Dinge auch gar keinen Sinn, was besonders in Episode 3 hervorkommt. Es gibt den Nosferatu-Klan. Und wie der Name es schon so offensichtlich macht, handelt es sich hier um die Vampire, die nicht als Menschen durchgehen, sondern wie Graf Orlok im deutschen Stummfilmklassiker ein monströses Aussehen haben. Allerdings sind in der Serie die Oberhäupter aller Klans wichtige Charaktere, und so hat man den Nosferatu-Anführer redesigned… und er sieht aus wie ein ganz normaler Kerl mit Glatze und leicht merkwürdigen Ohren. Der würde sich absolut unter Menschen mischen können. Die Serie besteht allerdings weiterhin darauf, dass sein Äußeres total monströs ist und niemand ihn je lieben könnte. Die komplette Handlung von Episode 3 dreht sich sogar darum, denn sie ist im Prinzip einfach nur Phantom der Oper. Ist schon recht amüsant diesen konventionell gutaussehenden Mann zu sehen, der von allen anderen in den vorigen Episoden normal behandelt wurde, und plötzlich reagieren neue Charaktere so, als würden sie ins Angesicht kosmischen Horrors starren, wenn sie ihn erblicken.
Ich frag mich auch ein wenig, warum Vampire: The Masquerade überhaupt als Adaptionsgrundlage herhalten musste. Wie gesagt, ich kenne mich da nicht wirklich aus, aber all das hier scheinen solche grobe Dinge zu sein, die wirklich auch ohne jegliche Vorlage hätten genutzt werden zu können. Und dann ein Serientitel, der komplett jene Bindung unterschlägt. Ob ursprünglich eine andere Herangehensweise geplant war, dann war jemandem The Masquerade aber doch zu Nerd-Nische, und das Projekt wurde umgemodelt?
Das Hauptproblem von Kindred: The Embraced ist jedenfalls, dass es einfach ziemlich langweilig ist. Es ist so extrem 90iger-Soap. Die müden Standbild-Establishing-Shots, wann immer die Lokalität gewechselt wird. Die gelackten Schauspieler, von denen viele nie so richtig in ihre Rolle aufgehen wollen. Die Handlungen, wie der Streit um die Prinzen-Rolle oder die verbotene Liebe von Vampiren aus zwei unterschiedlichen Klans, die Futter für eine lange Hintergrundhandlung geben würden, werden stattdessen abrupt aufgebracht und noch in der selben Folge abgeschlossen, nur um später doch wieder aufzukeimen. Weil die Serie einfach zu episodisch sein will, immer eine klar abgesteckte Handlung in die 45 Minuten pressen möchte. Und das funktioniert mit dem Material einfach nicht sonderlich gut. Die Serie kommt dadurch schlecht geschrieben, konfus, und billig daher. Weder optisch noch erzählerisch wurde in den acht Folgen irgendwas geboten, was herausstechend in Erinnerung bleiben würde.
Kindred: The Embraced ist ein bisschen Soap auf Autopilot. Ohne wirklich zu wissen, für wen sie sein will. Die Hintergründe, warum ausgerechnet zu jener Zeit eine solche Show entstehen konnte, ist hier interessanter, als das Endprodukt an sich.