13 Sentinels: Aegis Rim ist das bisher noch neueste Spiel des vor allem durch ihre optische Darstellung bekannten Studios Vanillaware. Früh nach dem 2013er Dragon’s Crown angekündigt und dann doch in Developement Hell gelandet, – scheinbar wäre das Studio fast zugrunde gegangen, wenn Publisher Atlus nicht ausgeholfen hätte – kam es 2019 auf die PS4 und letztes Jahr auf die Switch. Die zunächst angekündigte Vita-Version blieb ob der langen Zeit bis zum Release auf der Strecke.
Im Prinzip handelt es sich beim Spiel um ein Visual Novel. Zumindest vorrangig, ähnlich wie bei Sakura Wars werden auch durchaus ein paar strategische Roboterkämpfe eingestreut, um das ganze Lesen aufzulockern. Doch das Hauptaugenmerk liegt auf der verflochtenen Handlung, die dem Titel angemessen durch 13 Protagonisten erzählt wird. Dies teilweise etwas nonlinear, so stehen in der Regel mehrere davon gleichzeitig zur Auswahl, deren nächstes Kapitel durchgelesen werden kann. Zumindest bis man einen der Flaschenhälse oder gar Stopps erreicht hat. Welcher Charakter was wie früh vor anderen entdeckt liegt etwas daran, in welcher Reihenfolge man sie spielt. Aber letztendlich ist es für das Narrativ selbstverständlich dennoch wichtig, dass gewisse Dinge erst nach anderen Dingen geschehen können. Von daher wird der geneigte Leser des Spieles dennoch hin und wieder an Punkte geraten, an denen alle oder fast alle Charaktere gesperrt sind. Erst wenn die nächste Reihe an Kämpfen bestanden oder das Kapitel eines bestimmten Charakters gelesen ist, werden auch wieder andere freigeschaltet werden.
Besagte Kämpfe gestalten sich übrigens in Form eines RTS, also Real Time Strategy, mit Overhead View auf einer Simulations-ähnlichen Repräsentation der Stadt (was durchaus narrativ signifikant ist, aber mit der Zeit wird man schnell merken, dass nichts in 13 Sentinels dem Zufall überlassen ist). Zwischen den einzelnen Kampfeinsätzen können Charaktere mit den nach Kämpfen erhaltenen Punkten aufgebessert werden. Außerdem wird hier ausgewählt, wer in den nächsten Kampf zieht, wobei Charaktere nach zu vielen davon eventuell eine Zwangspause einlegen müssen. Auf dem Kampffeld nun kommen mehrere Wellen an Gegnern an, die mit den verschiedenen Attacken vernichtet werden sollen, eventuell nur über gewisse davon überhaupt zu schädigen sind oder vorher ihr Schild fallen lassen müssen. Meist sind alle Gegnerwellen zu überstehen, manchmal muss aber auch nur eine gewisse Einheit ausgeschaltet werden, um zu gewinnen.
Wie tiefengängig dies im Vergleich zu anderen RTS ist, kann ich nicht beurteilen, weil das mal gar nicht mein Genre ist. Ich war tatsächlich hauptsächlich für die Handlung hier. Habe immer erst alle Charakter-Kapitel gelesen, bis die alle gesperrt waren, bevor ich in den RTS-Modus gewechselt bin, statt jene immer mal wieder zwischendurch einzustreuen. Dadurch musste ich dann alle 10 Kämpfe eines Distrikts auf einmal machen, aber dank des Easy Modes ging das relativ flott von der Hand. Ich muss aber sagen das es schon schön reingehauen hat, wenn so eine Attacke mit ordentlich Soundkulisse niederregnet und entweder eine ganzes Dutzend an kleineren Gegnern oder einen großen Panzer erledigte. Trotz der zunächst etwas biederen Optik wird der brachiale Teil der Auseinandersetzung ganz Ok rübergebracht.
Aber wie gesagt, den Großteil des Spieles wird im Visual-Novel-Modus verbracht. Hier wie Vanillaware üblich als Sidescroller mit schnieker 2D-Grafik dargestellt. Die ist wirklich wie immer toll anzusehen. Zum einen ist es eine Leistung all die verschiedenen Charaktere, trotz ungefähr gleichen Alters und in der Realität behafteter Outfits, gut voneinander optisch zu trennen und alle sehr hervorstechend zu designen. Aber auch die Kolorierung der Szenen ist super. Wenn in der Nacht die Straßen dann in Blautönen gehalten sind und von Neonlichtern eingefasst werden. Wenn in zerstörten Gebieten alles Grau und staubig ist. In Extremsituationen Rot und Violet alles ausleuchtet. 13 Sentinels sieht immer beeindruckend aus. Und auch spielerisch bietet es etwas mehr Flair als in anderen VNs. Natürlich wird weiterhin hauptsächlich mit Leuten geredet. Aber das geschieht in Aegis Rim nicht in starren Textboxen. Stattdessen bewegt man die Spielfigur tatsächlich selbst durch die Bildschirme und quatscht die vorgefundenen NPCs an. Über die Infos, die angesammelt werden, sammeln sich auch neue Stichpunkte in einer Gedankenwolke des gerade gespielten Charakters an, über die derjenige nicht nur nachdenken, sondern sie auch in Konversationen mit anderen für mehr Infos einbinden kann.
Gerade jenes Nachdenken ist übrigens sehr praktisch. Denn 13 Sentinels ist eine extrem dichte Geschichte und dadurch, dass mehrere Charaktere nonlinear gespielt werden, die Gefahr groß, dass der Spieler mal kurzzeitig den Faden verliert, was zuletzt bei einem davon geschehen ist. Am Anfang eines Kapitels über alle bereits vorhandenen Wörter in der Gedankenblase zu sinnieren, hilft einem gut auf die Sprünge, was los war, als das letzte Mal mit jenem Charakter gespielt wurde. Und wer wirklich ganz verloren ist, der hat neben dem VN-Modus und dem RTS-Modus auch noch eine Bibliotheks-Option im Menü, in denen bereits alle gefundenen Infos und Story-Abschnitte noch mal nachgelesen werden dürfen.
Wir beginnen den Prolog übrigens als Juro Kurabe, einem Schüler in den 80ern, dem beim Reden mit seiner Mitschülerin Iori auffällt, dass beide ähnliche Träume über die Kämpfe in Mechs gegen die Stadt angreifende Kaiju haben. Später mit einem Freund auf den Straßen fällt doch auch tatsächlich genau ein solcher Mech aus dem Himmel. In Ioris Geschichte finden wir hingegen einen mysteriösen Jungen, der vor allem im alten Trakt des Schulgebäudes rumläuft. Als jener Ei Sekigawa gespielt, wird schnell klar, dass er aus der Zukunft stammt und von mehreren Men in Black verfolgt wird, da er angeblich ein Krimineller ist. Und tatsächlich finden wir mit ihm auch die ermordete Schulkrankenschwester vor. Bei welcher wir als Kurabe eine Akte fanden… über Izumi Kurabe, der er angeblich sein soll, an den sich Juro aber nicht erinnert.
All dies ist übrigens Zeug, welches noch im Prolog einem offenbart wird, wenn das Freischalten des Vorgehens noch relativ linear ist und nur ein paar der 13 Charaktere zur Verfügung stehen. Danach folgen dann noch 25 weitere Stunden Spiel. Und wenn es ein was in 13 Sentinels zu beachten gibt, dann das nichts so ist, wie es erscheint. Selbst nachdem bereits Dinge mit einigen Charakteren rausgefunden wurden, kann sich nie sicher sein, ob nicht Stunden später mit einem anderen Charakter ein Puzzleteil in die Handlung eingefügt wird, die wieder alles auf den Kopf stellt. Nichts ist Zufall, und nichts geschieht einfach nur so, wie man schnell merken wird. Wenn ein Charakter nebenbei erzählt, dass sie gerne als Hobby singt, stellen sich sofort die Lauscher auf, denn selbst eine solche Nebeninfo kann wichtig werden. Was teilweise witzig ist. Wenn die Charaktere das erste Mal in die Mechs gebeamt werden, erwähnen die Mädels beispielsweise mit Schock, dass sie darinnen ja total nackt sind. Das habe ich erst mal als Anime-BS abgetan. 30 Spielstunden später, sprichwörtlich in der Endsequenz des Spieles, wird übrigens aufgeklärt, warum es total Sinn macht, dass sie in den Robotern keine Kleidung tragen. Wie gesagt, Aegis Rim ist eine unglaublich dichte Handlung. Bietet hierbei eine gute Mischung aus Dingen, die genug Forshadowing haben, damit man sich einiges zusammenreimen kann und nicht die Lust am Raten verliert, aber doch viele legitime Überraschungen zu bieten, so dass es nicht wirklich vorhersehbar erscheint. Ich habe es über einige Abende hinweg durchgespielt, und würde auch raten, da relativ zügig durchzugehen, um alle in der Luft schwebenden Fragen und Puzzleteile nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist eine der besten Videospielhandlungen, die man sich reinziehen kann.
Und auch ein Spiel, welches viel Nostalgie für die 80er hat. Diese Zeitperiode ist eindeutig die wichtigste im Spiel, während der am meisten geschieht und man die meiste Spielzeit verbringen wird. Und voller Anspielungen an Medien, die zu jener Zeit als Jugendlicher eben konsumieren wurden. Ein Mini-Roboter wird beispielsweise in einer Sporttasche unter einem Handtuch versteckt. Wann immer er dort hinauslugt schaut das eindeutig nach E.T. aus. Die Nerds in der Schule stehen total auf Kaiju-Filme mit einer Franchise, die eindeutig ein Pendant zu Godzilla ist. Und allgemein erinnert die Handlung an viele nostalgische SciFi-Geschichten, inklusive dem damaligen Hit-Manga Please Save My Earth.
13 Sentinels: Aegis Rim war mein bestes Spielerlebnis im letzten Jahr gewesen. Absolute Empfehlung sich das einzuverleiben.