Shadow of the Colossus

ava-2711Erst kürzlich hatten wir The Last Guardian hier im Blog. Der antizipierte Nachfolger zu Ico und Everbody’s „Spiele sind Kunst“ Darling Shadow of the Colossus. Es hinterließ mich mehr so lauwarm und damit meine Gamer Street Creds in der Schwebe. Um endlich Klarheit zu schaffen, habe ich deswegen nachträglich den Vorgänger gespielt, im PS4 Remake von Shadow of the Colossus.

Das Ergebnis ist, dass doch alles gut ist, denn ich liebte Shadow of the Colossus. Ich war genug von ihm eingenommen, um anschließend sogar einige Videos zu den Pre-Release-Versionen zu schauen. Wo die Fanbase Material zusammengesucht hat, welche frühe Colossus-Designs zeigen, die es nicht oder zumindest so nicht in das Endprodukt geschafft haben. Wie beispielsweise ein zweiter Vogel-Colossus, der höchstwahrscheinlich nicht realisiert wurde, weil er durch die Landschafft geclippt ist (bezeichnend wird die andere Variante von ihm in einem weiten offenen Tal über einem See bekämpft, in dem er beim Sturzflug also ohne Diskrepanz eindringen kann). Oder das allererste „Project Nico“ Konzeptvideo, bei dem es noch so aussieht, als ob das Spiel eher ein Monster Hunter auf Pferderücken hätte sein sollen, bei dem eine Gruppe von mehreren Spielern die großen Bestien gleichzeitig angeht.

Ja ich sah sogar ein Video zu den Schatzsuchern des Spieles – Fans, die für Jahre über Jahre davon überzeugt waren, dass es noch weitere nicht gefundene Geheimnisse im vage gehaltenen Spiel geben muss. Jede Struktur und jedes Mosaik als Hinweis sehen, statt wie in Game Developement eher üblich als etwas, was aus einer vorigen Variante des Spieles übriggeblieben ist aber im Endprodukt keinen Nutzen mehr hat, sondern zur Deko verkommt. Eine Bewegung, welche Bluepoint im Remake sogar aufgenommen hat mit einem neuen Collectible!

Aber gut. Das Spiel. Wir steuern Wanderer, der mit seinem Pferd und dem leblosen Körper eines Mädchens durch die Wildnis zu einem alten Tempel reitet. Wir bekommen erklärt, dass es verboten ist in dieses Tal einzudringen. Doch Wanderer scheint das nicht zu interessieren. Das Mädchen, wie auch immer es zu ihm stehen mag, ist scheinbar wichtiger als die Warnungen. Im Tempel erklärt ihm eine körperlose Stimme, dass er die Colossi im Tal erlegen muss, um die Kraft zu sammeln, die das Mädchen wiederbeleben kann. Aber selbst jene Stimme scheint ihm nichts zu garantieren. Der stoische Wanderer zieht also auf Pferderücken aus, sie alle zu erlegen.

Dies geschieht übrigens linear. Die Stimme gibt uns einen kurzen Tipp über die Umgebung, in der sich der nächste Colossus befindet, das Licht der Sonne vom Schwert zu reflektieren einen direkteren Leitfaden, in welches Richtung es geht. Colossus gefunden, erlegt, und wir sind zurück im Tempel und bekommen den nächste Colossus freigeschaltet. Die Reihenfolge kann nicht umgangen werden. Denn das hier ist ein Ritual und Rituale erfolgen nunmal in vorgegebenen Schritten. Dabei bildet das Spiel eine konstante Atmosphäre, dass dies zu tun falsch ist. Nicht nur ist das Tal ein verbotener Ort. Nicht nur haben wir keine direkte Garantie, dass dies auch funktionieren wird. Nein, aus jedem erlegten Colossus kommen zudem Schattenhafte Tentakel, die in Wanderer eindringen, in kollabieren lassen, woraufhin er magisch im Tempel wieder auftaucht – mit der Zeit wird sogar sein Charaktermodell dunkler, als würden die Schaffen ihn übernehmen. Wanderer interessiert das nicht, er geht weiter. Denn das zentrale Thema ist, was er für eine geliebte Person bereit ist, auf sich zu nehmen, wie wenig Tabus ihn zurückhalten können. Vielleicht dank der Kraft der Liebe, vielleicht auf Grund von Obsession. Genau sagen können wir es nicht, wir bekommen ja nicht mal direkt gesagt in welcher Beziehung Wanderer und das Mädchen zueinander standen. Das Spiel ist mal wieder vage und lässt jeden selbst interpretieren, warum all dies geschieht. Wandere zieht zum nächsten Colossus, und wir mit ihm, denn sonst gäbe es kein Spiel.

Was eine Sache ist, durch die ein Aspekt das Spieles nicht für mich funktionierte. Wenn Leute über Shadow of the Colossus reden, wird immer wieder angebracht, wie schlecht sie sich doch fühlen, wann immer sie einen Colossus erlegen. Sicherlich, genau genommen leben die nur ihr Leben in einem abgeschiedenen Tal, in dem sie niemandem in den Weg kommen. Einige attackieren sogar erst in Selbstverteidigung, nachdem Wanderer zum Angriff übergeht. Wenn sie besiegt sind zeigt das Spiel wie sie langsam in Slow Motion fallen, spielt dabei traurige Musik. Mir persönlich kommt hier allerdings einfach zu sehr in den Weg, dass es sich hierbei um ein Videospiel handelt. Ein Medium, welches zu sehr darauf ausgelegt ist, dass zu überkommende Hürden in Form von zu tötenden Gegnern aufkommen. Ohne gefallene Colossi kein Spiel. Noch mehr nicht, als sowieso in anderen Spielen bereits. Denn die Colossi sind das Spiel. Sie sind die einzigen Gegner. Das Gameplay ist 10% den aktuellen Colossus in der Welt ausfindig machen und 90% einen Weg finden, wie jener umgebracht werden kann. Für mich funktioniert dieses „Was habe ich getan!“ Moment also nicht.

Ich erwähne das nur, weil ich es interessant finde, wie die Konditionierung durch andere Spiele hier so eine Diskrepanz herstellen kann. Alles andere am World Building hat nämlich für mich funktioniert. Ich habe es genossen, durch dieses Areal zu reiten, abgeschnittene Täler zu finden. Unterirdische Seen, versteckte Wälder, offene Wüsten. Gesprenkelt mit mystischen Ruinen, Schreinen und Bäumen, zu denen das Auge wandert, und an denen die Collectibles zu finden sind. Atemberaubende Szenen, wenn die Colossi aus ihren Verstecken auftauchen. An den gigantischen Wesen entlang zu klettern. Im Sturzflug über einem Tal an ihnen hängend. Auf ihrer Schulter die Ruinen, durch die man zu ihnen geritten ist, von oben sehend. Ihre verschiedenen Designs zu observieren und wie sie stilisiert in den Statuen im zentralen Schrein wiedergegeben sind.

Oberflächlich gesehen ist Shadow of the Colossus ein Puzzle Platformer. Erklimme Stock und Stein auf dem Weg den Ort zu finden, in dem der nächste Colossus wartet. Dann finde seine glühenden Schwachstellen und einen Weg zu ihnen hinauf. Das für die 16 Bossmonster und wir sind durch mit dem Spiel. Der wahre Star ist allerdings die Atmosphäre. Alleine, nur mit dem vertrauten Pferd zu Seite, durch dieses abgeschiedene Tal zu reiten. Die Colossi zu finden ist weniger eine Aufgabe als eine Zeit, um die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Ein Spannungsaufbau, der mit dem Erscheinen des Colossus gekrönt wird. Die Besonderheiten im Design des Colossus und seiner Umgebung verinnerlichen, um eine Strategie zu entwickeln, wie er angegangen werden kann. Für mich ist Shadow of the Colossus mehr Moodpiece denn sonst was.

Das bedeutet nicht, dass ich in jedem Moment zwangsläufig eine super Zeit hatte. Auch in Shadow of the Colossus haben wir das „Problem“ der realistischen Steuerung. Es ist eindeutig die Intention Wanderer realistisch agieren zu lassen. Auch sein Pferd. Er stolpert und fällt also erneut wild durch die Gegend, wenn ein Colossus sich schüttelt, oder stampfend die Erde erschüttert etc. Gerade die Colossi, die auf Pferderücken zu bekämpfen waren, gehörten nicht gerade zu meinen liebsten Auseinandersetzungen. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass mir dies weniger häufig in den Weg kam als vergleichsweise in The Last Guardian. Vielleicht liegt das eben auch daran, dass mich der Rest vom Spiel genug packen konnte, so dass sich kleinere Makel eher übersehen lassen. Bei einem Spiel, welches einen erst Mal zu frustrieren angefangen hat, fallen solche Kleinigkeiten eher auf, weil sie die Frustration jedes Mal mitschwingen lassen. Und ich war nicht frustriert von Shadow of the Colossus, oder zumindest sehr selten.

Shadow of the Colossus ist wirklich eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Hier haben das Weltendesign und die Atmosphäre einfach total mit mir geklickt. Was auch immer bei The Last Guardian irgendwie im Kern fehlte, hier habe ich es gefunden.

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