Academy Weekend – Promising Young Woman

ava-2678Als ich durch die Liste der letztjährigen Gewinner gegangen bin, habe ich Promising Young Woman direkt wegen des Titels und des Poster rausgesucht, ohne wirklich zu wissen, worum es geht. Es sprach mich einfach direkt an. Der Film war übrigens für fünf Awards nominiert, letztendlich bekam er den für Best Original Screenplay für Schreiberin (und Regisseurin) Emerald Fennell.

Wir starten mit Cassie, einer hübschen Blondine, die total betrunken in einem Club fast vom Stuhl rutscht. Ein paar Typen machen sich lustig über sie und das sie es ja geradezu herausfordert. Nur einer aus der Gruppe meint, sie sollen nicht so sein, und hilft Cassie dabei ein Taxi zu rufen. Allerdings überlegt er es sich auf der Fahrt anders, nimmt sie doch mit zu sich nach Hause, wo er mit der total weggetretenen Frau Sex haben will. Bis Cassie im zeigt, dass sie überhaupt nicht betrunken ist, sondern er in ihre Falle ging.

Stellt sich heraus, Promising Young Woman ist ein Film der Sparte Rape-Revenge. Ein Subgenre, dass eigentlich mit den Exploitation Movies der 70er und 80er mehr oder weniger ausgestorben und nicht mehr wirklich zeitgemäß ist. Mit wenigen Ausnahmen wie das 2002er Irreversibel mal abgesehen, welchem es aber auch hauptsächlich auf Shock Value ankam.

Überraschend also, dass solch ein Film überhaupt noch gemacht wird, und vor allem es in die Oscar-Verleihung schafft. Nun, dies tat er, in dem er ein modernes Herantasten an die Thematik ist, geschrieben und unter Regie einer Frau entstanden.

Beispielsweise exploited der Film die Vergewaltigung nie. Es gibt keine große Szene, bei der voll draufgehalten wird. Cassie ist auch nicht das Opfer. Es ist ihre beste Freundin seit Kindheitstagen, die während des Colleges betrunken auf einer Party vergewaltigt wurde und sich anschließend das Leben nahm. Wir treffen das Opfer an sich also nicht, zumindest nicht das direkte Opfer, sondern folgen der Freundin, die zurückgeblieben ist. Später im Film, weil es für einen überraschenden Reveal nötig ist, hören wir kurze Ausschnitte aus einem Video – denn ein Typ hat das alles zum Spaß aufgenommen – aber erneut wird sie uns nicht visualisiert.

Stattdessen folgen wir Cassie, die nie über die Sache hinweggekommen ist. Dass sie nicht da war, um es zu verhindern. Das sie den Selbstmord nicht aufhalten konnte. Jahre sind vergangen, aber es hat sie nicht losgelassen. Als eine Art Rache mimt sie nun am Wochenende in Clubs das einfache Opfer, um die Kerle dann zu erschrecken, wenn sie versuchen Vorteil aus ihre zu ziehen. Bis sie herausfindet, dass der Vergewaltiger ihrer Freundin, der ins Ausland ging, zurück ist und heiraten wird. Ein wunderbares, uneingeschränktes, privilegiertes Leben führt. Was sie daran erinnert, dass es doch viel Sinnvoller ist, sich an den Schuldigen zu rächen. Dem Vergewaltiger. Seinen Kumpels, die zugesehen und ihn angefeuert haben. All diejenigen, die wegschauten und Entschuldigungen hervorbrachten. Diejenigen, welche die Sache unter den Teppich kehrten und dem Kerl aus der Bredouille halfen.

Es geht Cassie dabei aber nicht rein um Rache an sich. Sondern auch um Sühne. Sie setzt sich mit einigen dieser Leute zusammen, konfrontiert sie direkt mit dem, was geschehen ist. Um zu checken, wie sie mittlerweile dazu stehen. Jetzt, wo sie reifer sind und Abstand hatten über alles nachzudenken. Cassie ist durchaus bereit zu verzeihen. Wie wir sehen, wenn sie den Anwalt konfrontiert, der den Kerl rausgeboxt hat. Er bereut, er ist bereit, von ihr seine Strafe zu erhalten. Das wirft Cassie aus dem Gleichgewicht und letztendlich vergibt sie ihm. Alle anderen hingegen bringen die üblichen Entschuldigungen hervor. Niemand sieht sich selbst als der Böse, und so ist alles, was sie können, sich rechtzufertigen. Warum hat die Freundin so viel getrunken? Die Kerle waren doch auch betrunken und wussten gar nicht so recht, was sie da taten. Auf solchen Partys passiert doch ständig was, das war doch ganz normal. Abwiegeln und Victim Blaming rundum.

Bestechend vor allem auch, was die Rektorin der Uni sagt. Es würden nämlich ständig ähnliche Anschuldigungen gegen Studenten hervorgebracht, man kann das doch nicht alles ernst nehmen. Unschuldig bis die Schuld bewiesen, um so einem hoffnungsvollen jungen Mann nicht die Zukunft zu verbauen. Zum einen ist bestechend, dass sie überhaupt nicht hinterfragt, dass es häufig zu solchen Anschuldigungen kommt. Es kommt ihr gar nicht in den Sinn, dass dies auf ein systematisches Problem an College-Kampusen hinweist. Sobald Cassie vorgibt, deren Teenager-Tochter bei einer Bruderschafts-Feier abgesetzt zu haben, ist die Rektorin dann auch direkt nicht mehr so davon überzeugt, dass bei solchen Partys selten schlimmes geschieht. Wie Cassie selbst so schön sagt: „Die Situation ist gleich eine ganz andere, wenn es um jemanden geht, der einem nahesteht, nicht wahr?“. Aber die Szenen ist auch interessant, weil der Titel fällt. Fast zumindest. Denn „Promising Young Men“ ist etwas, was von der Verteidigung in Vergewaltigungsfällen häufig als Phrase benutzt wird. Junge Männer mit so viel Zukunft vor sich, die man doch nicht verbauen kann. Wonach nie jemand fragt sind all die „Promising Young Women“, die wegen sexueller Übergriffe ihre Ausbildung und Karriere aufgeben.

Der Film macht es einem dabei bewusst nicht einfach. Es sind keine schmierigen Kerle, die vergewaltigen. Sondern zum Großteil die „Nice Guys“, die durchaus nett rüberkommen, und dann doch die Situation ausnutzen. Es sind auch nicht nur Kerle schuldig, wir bekommen auch zwei Frauen gezeigt, die weggeschaut haben, als die Anschuldigungen aufkamen. Und es war auch keine Vergewaltigung, bei der die Freundin schön brav beständig Nein geschrien hat. Sie war total betrunken und gar nicht mehr dazu in der Lage. In vielerlei Köpfe herrscht immer noch die Vorstellung, dass sich „angemessen“ gewehrt werden muss, damit es sich um eine handelt.

Und auch, soviel wie man Cassie auf ihrem kleinen Supergirl Feldzug anfeuern will, und wie cool berechnend er daherkommt… der Film macht es dennoch klar, dass dies auch ein ungesundes und selbstzerstörerisches Verhalten ist, welches Cassies Psyche nicht gut tut.

Was für ein Film. Er kam wirklich total aus dem nichts für mich und hat mich hart überfahren. Doch ich bin sehr froh darüber, dass ich ihn herausgepickt hatte.

promisingwoman

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