Ach ja Digimon, wie nostalgisch. Bandais Antwort auf den Tomogatchi-Hype, der dann zur Antwort auf den Pokemon-Hype unfunktioniert wurde. Vom Kinderspieltzeug in 1996 zur Kinderserie im Fernsehen in 1999. Die ersten Staffeln habe ich sogar auch mitgenommen damals. Erinnere mich sogar noch daran, dass von der allerersten die finalen Folgen erst in der Wiederholung ausgestrahlt wurden, weil man bei RTL2 einen Standardvertrag über 52 Folgen mit Toei Animation machte, Digimon Adventure 1 aber 54 lang war.
Selbst den Kinofilm habe ich damals gesehen, sogar im Kino an sich. Bekanntermaßen ist da die westliche Version allerdings ein Zusammenschnitt von drei individuellen japanischen Filmen. Die einen überraschend guten Ruf haben, weil ein Star-Regisseur hier seine erste Erfahrungen sammelte. Nämlich niemand anderes als Mamoru Hosoda, dem wir Filme wie Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, Summer Wars, oder Die Wolfskinder zu verdanken haben. Ich habe mal die Gelegenheit einer nostalgischen Anwandlung von mir genutzt mir die einzelnen Original-Filme anzuschauen.
Der erste davon ist schlicht betitelt Digimon Adventure, also gleich zur ersten TV-Staffel, die einen Tag nach der Erstaufführung des Filmes anlief. Der Film ist auch genauso schlicht gehalten, hat er doch nur 20 Minuten zur Verfügung. Kenner des westlichen Filmes finden ihn als dessen Prolog wieder. Denn er springt in eine Zeit, wo Hauptcharakter der Serie Taichi und seine Schwester Hikari noch ganz kleine Kinder waren. Und deren erste Begegnung mit einem Digimon haben. Vom aus dem Computer gesprungenen Ei, hin über die Evolutionen zum Kampf Greymon versus Parrotmon in den Straßen der Stadt.
Was mir beim Film direkt erneut auffiel ist, wie entgegen er den Erwartungen er doch schwimmt. Ich glaube kaum, dass irgendwer große Ansprüche hier stellte, immerhin ist er nur ein glorifiziertes Prolog-Special zur demnächst startenden TV-Serie, die wiederum hauptsächlich dazu gedacht ist, den Kids Spielzeug anzudrehen. Nehmt einen Rookie als Regisseur, lasst ihn schnell was zusammenschmeißen, wie er will, gut ist. Aber der Film ist richtig gut geworden! Er schafft es unglaublich gut das alltägliche Leben der beiden Kinder im Familien-Appartment mit der Tatsache, dass man plötzlich einen Dino großzieht, gegeneinander aufzuspielen. Er geht auch ganz mutig in die Richtung, die Digimonster als solche zu präsentiren. Hier sind die Viecher wesentlich mehr in Größenrelation mit ihrer Umgebung. Wenn Koromon zu Agumon wird, reicht das plötzlich unter die Decke der Wohnung. Greymon versus Parrotmon ist ein richtiger Kaiju-Kampf zweier mehrere Stockwerke hoher Monster in den Wolkenkratzerschluchten. Der Film gibt damit der ganzen Angelegenheit einen sehr realistischen und geerdeten Anstrich, den man so in der TV-Serie nie zu sehen bekommen wird.
Und dann noch die ganzen detaillierten Animationen. Hier wurde nicht nur alles darein gesteckt den Kampf der Monster möglichst cool zu gestalten (welcher aber freilich auch sehr spannend und dramatisch anzusehen ist), um die Viecher als Spielfiguren verkauft zu bekommen. Es steckt eben auch viel Liebe in den Bewegungsabläufen der beiden Kinder. Wenn Hikari nach dem weggerollten Ei sucht, oder Taichi zum Frühstückmachen auf einen Hocker klettern muss. Wenn Agumon einen Getränkeautomaten zerstört hat und die kleine Hikari verzweifelt die wegrollenden Dosen aufzusammeln versucht, um das Missgeschickt ihres Haustieres wieder in Ordnung zu bringen. Es ist einfach herzallerliebst anzusehen.
Oder kurz gesag: Mamoru Hosoda hat aus diesen 20 Minuten TV-Serien-Prolog alles rausgehalt, was rauszuhalen war.
Da hat man ihn sich natürlich direkt im nächsten Jahr für den zweiten Film zurückgeholt, den 40-minütigen Digimon Adventure: Children’s War Game. Am Ende der ersten TV-Staffel angesiedelt schlüpft diesmal das digitale Ei von Diablomon, der immer mehr Daten frisst, was viele Computergesteuerte Geräte der Welt durcheinanberbringt, bis schließlich sogar nuklare Raketen abgefeuert werden. Es bleiben zehn Minuten, um ihn zu besiegen, damit sie nicht detonieren.
Erneut gibt es viele Szenen der Digi-Ritter in ihrem alltäglichen Umfeld, denn Taichi und Koshiro sind vom eigenen Wohnzimmer übers Internet in den Kampf zugeschaltet, während der Rest der Truppe in den Sommerferien zerstreut im Urlaub oder bei Freunden ist. Das hilft erneut, um der Gefahr mehr Gewichtigung zu verleihen, auch wenn der Film nicht ganz so bodenständig ist wie der Vorgänger. Weil diesmal halt die Action in der virtuellen Welt stattfindet. Hier sieht man dann auch bereits Hosodas Faible dafür, virtuelle Welten als weiße Räumen mit singalfarbenen Akzenten darzustellen. Man kann sagen, dass dies stilistisch eindeutig der Vorgänger zu seinem Kinofiilm Summer Wars ist.
All das erneut mit dem ganzen Schwung und Leben in den Szenen, die wir auch vom ersten Film gewohnt sind. Seien es nun die humorigen Einlagen und entgleisten Gesichtsausdrücke Taichis in der realen Welt, bei den kurzen Einblicken in das Leben der anderen Charaktere, oder die mit viel CG unterstützen Kämpfe der Didgimon im Cyberspace. Bei der überschaubaren Zeit wird’s eindeutig nicht langweilig.
Immerhin haben die beiden Filme von Mamoru Hosoda damals in Japan genug Eindruck hinterlassen, als dass Studio Ghibli ihn auf der Suche nach neuem Talent für die Regie von Howl’s Moving Castle verpflichtete. Letztendlich wurde daraus zwar nichts, doch ihm gelang anschließend der Sprung zum Studio Madhouse, wo er seinen internationalen Durchbruch mit den eingangs erwähnten Filmen finden sollte. Ab dem dritten Film stand er also Toei Animation und der Digimon Franchise nicht mehr zur Verfügung.
Der noch im gleichen Jahr herausgekommen Film und erste zur zweiten Staffel, ist dann auch der letzte, der in den westlichen Film integriert wurde. Im Original ist der als zwei halbstündige Teile im Doppelfeature gelaufen: Digimon Hurricane Touchdown und Transcendent Evolution! The Golden Digimentals. Die ergeben aber einen durchgängigen Film von 65 Minuten.
Dieser Teil macht auch ein wenig das Kernstück der amerikanischen Version aus, was nicht weiter verwundert, wenn man sich das Setting betrachtet. Diesmal macht der Cast von Digimon Adventure 02 nämlich gerade Urlaub in den USA, wo sie auf Wallace treffen. Der hat als Kind zwei Digimon bekommen, von denen eines allerdings spurlos verschwand. Bis es nun fies verändert wieder auftauche und ihn terrorisiert, in der Hoffnung zur ursprünglichen Zeit mit Wallace zurückkehren zu können.
Ich möchte zunächst einmal sagen, dass mir die Idee des Filmes durchaus gut gefällt. Die gebrochene Freundschaft, die sich zu einer Psychose entwickelt hat, kann für echt guten Stoff sorgen. Für einen Kurzfilm von erneut 30 Minuten. Dass der Film die doppelte Länge geht führt leider dazu, dass er zunächst einfach unglaublich langgezogen ist, während wenig geschieht, außer das Wallace ständig gefragt wird, warum das Digimon hinter ihm her ist, der darauf noch nicht zu antworten bereit ist. Der neue Regisseur Shigeyasu Yamauchi schafft es auch nicht, jene Szenen mit der richtigen zwischenmenschlichen Wärme oder unterhaltsamen Einlagen der Charaktere zu füllen, die ein Hosoda hier hervorgezaubert hätte. Stattdessen fühlt sich der komplette Mittelteil so an, als würde Wasser getreten, bis es endlich ins Finale gehen kann. Als sehe man depressiven Charakteren dabei zu, wie sie Emotionen lediglich vortäuschen.
Und das Finale ist ebenfalls total merkwürdig. Endlich passiert mal was, klar, und die finale Evolutionen des Antagonisten sind auch gewohnt freaky. Aber die Vibes sind einfach absolut strange. Szenen haben unerwartet überhaupt gar keine musikalischen Untermalung, oder der sehr zurückhaltende Country-Einschlag kommt wieder rein, statt endlich mal so richtig Vollgas zu geben. Das resultiert erneut in einer extrem unterkühlten und emotionslosen Stimmung, die sich hart mit dem tränenreichen Gekämpfe beißt. Der Flow des Filmes ist erneut fundimental gebrochen. Der Stil passt definitiv besser zum postapokalyptischen Cashern Sins, bei dem Yamauchi Series Director war, als zu Digimon Adventure 02.
Einen vierten und letzten Film gab es zum Original Adventure zum Ende der zweiten Staffel in 2001 dann auch noch. In Digimon Adventure 02: Mewtwo Diablomon Strikes Back bekommt es der ganze Cast an Charakteren erneut mit dem Bösewicht aus dem zweiten Film zu tun, der sich an den Kids rächen will, die ihm damals seine Pläne vereitelt haben. In dem er diesmal sogar in der realen Welt auftaucht, statt nur virtuell sein Unwesen zu treiben.
Der 30-Minüter tut dabei sein Mögichstes, um den Stil von Hosoda aus den ersten beiden Filmen erneut einzufangen. Der Zeichenstil geht dahin zurück in den Charakteren etwas unsauberer und weniger detailliert zu sein, damit sie dafür besser durchanimiert werden können. Daisuke macht die gleichen Funny Faces, die Taichi machte, um mal wieder zu zeigen, was für ein Kloncharakter er ist. Das Farbschema bemüht sich um die gleichen Kontraste. Die Cyberwelt ist also mal wieder sehr hell-leuchtend weiß mit poppigen Farbakzenten, während die Szenen in der realen Welt bodenständiger zurückhaltende Kolorisation aufweist. Diablomon und seine finale Entwicklung agieren wie ein Eva im Berserker-Modus, der nach dem nächsten Engel sucht, den er lebendig fressen kann. Neben den Insert Songs besteht der Score erneut aus klassischen Melodien, Maurice Ravels Bolero inbegriffen.
Das funktioniert erneut alles übrigens sehr gut. Wie gesagt scheinen die Digimon-Filme alle nicht sonderlich hoch in der Prioritätenliste von Toei Animation gewesen zu sein, verpflichteten sie doch als Regisseure immer Newcomer oder Leute, die zuvor nur für vereinzelte TV-Folgen verantworlich waren. Hosoda hat da die Chance ergriffen mit seinem noch unentdeckten Talent zu strahlen, vielleicht war es da echt einfach die günstigste Entscheidung ihn impersonifizieren zu versuchen, auch um einen runden Abschluss hinzulegen. Da es wieder alles in einer halben Stunde über die Bühne geht, kann es zudem auch gar nicht langweilig werden, oder große Diskrepanzen aufweisen, die es nur als billige Kopie entlarven würden.
Ich fand den es auf jeden Fall sehr angenehm, obwohl ich nie der größte Digimon-Fan war, in diesem Rewatch etwas nostalgisch in die Adventure-Zeit zurückzukehren. Dass drei der vier Filme qualitativ auch durchaus überdurchschnittlich sind, hilft dem natürlich ungemein. Wer weiß, vielleicht versuche ich mich demnächst dann mal an den sieben Tri/Kizuna Filmen
Motherfreak
/ 4. Oktober 2021Ich frage mich immer wieder, wie du an die Filme herankommst. Du scheinst da einige Optionen mehr zu kennen als ich.
Jedenfalls wollte ich auch immer mal die Digimon-Filme in ihrer Ursprungsform sehen und da ich im Gegensatz zu dir ein größerer Digimon-Fan bin, habe ich natürlich an allen bisher erschienenen Filmen Interesse.
Digimon Adventure Tri ist ein nettes Experiment, hat aber einige riesige strukturelle Probleme und ich weiß nicht, ob das einen kulturellen Hintergrund hat, aber alle Protagonisten führten sich nicht selten wie emotionslose Zombies auf. Daher bin ich wenig begeistert von dieser Reihe gewesen und musste mich sogar ein wenig dazu zwingen, auch wirklich alle Teile bis zum Schluss zu schauen. Was ich bis heute nur ausschnittweise getan habe.
zuckerlundzynismen
/ 13. Oktober 2021Die Original-Versionen finden sich natürlich nur auf Seiten jenseits der Legalität, und dort teils in nicht der besten optischen Form. An Tri und Kizuna habe ich übrigens immer noch seicht Interesse, bisher war es aber noch nicht Priorität. Sieben Filme sind dann doch ein Stück.