GameBoy Obscurities: Heroes of Might and Magic

Es ist immer interessant, wenn Spinoff-Serien plötzlich ihre Hauptreihen zu überflügeln wissen. Heroes of Might and Magic ist ein solches Beispiel. Might and Magic war, 1986 gestartet, einer der Grundpfeiler der traditionellen, westlichen RPGs. Doch Serienerfinder Jon Van Caneghem hatte auch ein Faible für strategische Kriegsspiele, was er bereits 1990 mit King’s Bounty auslebte. Fünf Jahre später nutzte er den etablierten Might and Magic Namen, um dem einen neuen Versuch zu geben.

Im Gegensatz zur Hauptserie lebte Heroes of Might and Magic bis ins Jahr 2015 weiter. Und wie wir mittlerweile wissen, gibt es ja so gut wie kein Erfolgskonzept, welches nich zur Jahrtausendwende auf den Handheld Nintendos gehievt wurde, egal wie sinnig die Umsetzung erschien. Der GameBoy Color kann sich sogar rühmen, gleich zwei Heroes of Might and Magics zu beheimaten. Und das nicht als stark verändertes Spinoff zum Spinoff, sondern es wurde schon versucht, das grundlegende Gameplay möglichst getreu auf den kleinen Bildschirm und die wenigen Knöpfe zu verteilen.

Abstriche gibt es natürlich. Man merkt einen davon auch direkt beim Beginn des Spieles. Es gibt keine Kampagne. Wer das New Game anklickt, kommt direkt in die Auswahl der einzelnen Szenarien. Denn dies ist der einzig existente Spielmodus. Dafür gibt es aber gleich 30 davon zur Auswahl, absteigend nach Schwierigkeitsgrad und Landgröße geordnet. Sobald eines ausgewählt ist, kann dies ein wenig mehr kustomisiert werden, nämlich in Form der Anzahl der Ressourcen und wie schlau die drei KI-Gegner sein sollen. Abschalten, um so beispielsweise ein Free Play zu forcieren, kann man sie nicht. Der Szenariokampf um die Alleinherrschaft auf der jeweiligen Landmasse ist also alles, was das Spiel aufwartet.

Im Szenario angekommen ist aber alles ziemlich knorke. Uns untersteht eine Stadt. Dort können für Geld und Rohstoffe wahlweise Gebäude gebaut werden, die neue Einheiten rekrutieren oder Boost wie bspw. Moral bedeuten. Oder es werden halt neue Einheiten gezüchtet. Wobei jede Stadt nur eine gewisse maximale Anzahl davon herstellen kann, die sich dann sowohl auf deren Befestigung verteilen müssen, wie einem Helden-Charakter als Fußsoldaten unterstellt werden dürfen. Der Heldencharakter, von dem man direkt einen hat, und sich weitere einbestellen kann, ist derjenige, der das Land erkundet. Hinter dem schwarzen Fog of War verbergen sich rumliegende Rohstoffe, die direkt eingesammelt werden. Oder Lokalitäten wie Mienen oder Mühlen, die regelmäßig statt einmalig Rohstoffe generieren, aber meist auch erst in einer Schlacht eingenommen werden müssen. Dann noch ein paar Tempel oder Artefakte für hilfreiche Upgrades oder das Aufdecken einer Schatzkarte. Und natürlich fremde Festungsstädte, die entweder den anderen Spielern gehören, oder neutrale Monstersiedlungen sind, die ebenfalls kriegerisch eingenommen werden können.

Die Heldeneinheit kämpft übrigens nicht direkt. Wenn es zur Schlacht kommt kann sie aber mit diversen Zaubern kurzfristig eingreifen. Auf dem Kampffeld nehmen sich die jeweils bis zu vier Gruppen in Reih-und-Glied stellung und dreschen dann je nachdem, ob sie Distanzwaffen, Zauber oder eben nicht beherrschen, entweder von der Stellung aus bereits aufeinander ein, oder müssen sich zunächst aufeinander zubewegen. Wobei es immer hilfreich ist, mehr Einheiten mit Distanzangriffen mitzunehmen. Nicht nur muss man dann nämlich keine Runden an Wegzeit vergeuden, sondern sie kommen sich auch nicht in die Quere, in dem sie einander im Weg stehen. Bei der Einnahme einer Stadt läuft das alles ähnlich, allerdings müssen die (automatisch aufgetauchten) Ballistas zunächst die Stadtmauer zerstören, um eine Öffnung für die Truppen zuzulassen.

Der Große Pluspunkt, den Heroes of Might and Magic bei der Konvertierung auf den GameBoy Color hat, ist dabei natürlich, dass es rundenbasiert ist. In den Schlachten darf jeder Einheit schön brav nacheinander Ziehen und Angreifen. Und auch die Bewegung des Helden auf der Landkarte ist nur solange möglich, bis er seine Stamina aufgebraucht hat. Dann muss der Zug beendet werden und die KI bewegt die drei gegnerischen Fraktionen, bevor die nächste Spielerrunde anfängt. Somit ereignet sich alles schön brav nacheinander, statt in ein heilloses Chaos zerfallen zu können wie wenn dies hier ein RTS wäre.

Ich mag dabei durchaus auch applaudieren, dass man die Dinge voneinander unterscheiden kann. Natürlich ist alles winzig auf dem Bildschirm. Zu winzig. Aber dann doch nicht alles gleich. Die winzigen Sprites der Einheiten mögen nur mittelprächtig das wiedergeben, was sie darstellen sollen. Aber sie sind alle voneinander unterscheidbar. Auch bei den vielen Icons auf der Weltkarte ist jedes davon distinkt, wenn natürlich auch hier durchaus erst mal memorisiert werden muss, was genau was sein soll. Dass sich das alles mit den wenigen Knöpfen brauchbar steuern lässt, ist auch sehr schön. Lediglich wie sich die KI so verhält könnte angeprangert werden. Zumindest scheint deren Intelligenz-Einstellung nicht viel zu ändern, eventuell bin ich aber auch nicht schlau genug, um deren Masterplan zu durchblicken.

Das große Kompliment an Heroes of Might and Magic auf dem GameBoy Color ist also tatsächlich, dass es funktionstüchtig geschrumpft ist. Der Kern ist da, und es lässt sich gut spielen. Dass es dennoch nicht wirklich einen guten Grund gibt, diese Version dem großen Bruder vorzuziehen, sollte natürlich auch klar sein.

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